Kanu-Brüder starten erstmals gemeinsam – und werden deutscher Meister
Rainer Jüttner – 22.05.2016 – WESER-KURIER
Bremen. 32,1 Kilometer paddeln, dazwischen sechs Portagen mit dem Kajak unter dem Arm rennend bewältigen. Der zähe Kampf gegen Wind und Wellen und dabei die immer größer werdende Müdigkeit in den Knochen – nein, Kanu-Marathon ist sicherlich nichts für Warmduscher. Für Marcel und Sven Paufler sind solche Strapazen Normalität. Seit Jahren schon mischen die beiden die deutsche und internationale Kanusport-Szene auf. Nach zahlreichen Titeln und Vizemeisterschaften in der Jugend, bei den Junioren und der U23 begann für die Brüder vom Störtebeker Bremer Paddelsport bei den Deutschen Marathonmeisterschaften jetzt so etwas wie eine neue Zeitrechnung.
Erstmals starteten sie in der Herren-Leistungsklasse als Duo im Zweier-Kajak – und setzten sofort eine echte Duftmarke. In Kassel holten sich die Pauflers mit deutlichem Abstand ihren ersten gemeinsamen Titel und sind nach diesem Erfolg für die Nationalmannschaftseinsätze bei der Europameisterschaft in Spanien (Juli) und der Heim-Weltmeisterschaft in Brandenburg (September) nominiert. „Das war total überraschend. Bei meinem Trainingsrückstand und dadurch, dass Marcel ja schon sein Einzelrennen hinter sich hatte, hätte ich das niemals gedacht“, sagte der 18-jährige Sven. Einen Tag zuvor hatte sich Marcel Paufler bereits den Einzeltitel in der Leistungsklasse geholt und wurde mit zwei Goldmedaillen wieder einmal zum erfolgreichsten Bremer DM-Starter.
Im Kajak-Einer der Herren Leistungsklasse (national gibt es zurzeit keine U23-Rennen) konnte sich Marcel schnell in einer Vierergruppe vom Feld absetzen. Diese Gruppe mit dem Vorjahressieger Andreas Heilinger (26, Raunheim), Felix Richter (23, Schierstein) und Marvin Frick (28, Undine Saarland), allesamt WM-Teilnehmer der vergangenen Saison, schenkte sich nichts, und es gab häufig wechselnde Führungskämpfe. Nach der letzten Portage in Runde sechs wurde das Tempo erneut verschärft, so dass Marvin Frick abreißen lassen musste. Die Entscheidung fiel in einem spannenden Endspurt, den Marcel Paufler knapp für sich entscheiden konnte. In der Zeit von 2:32:31.39 Stunden gewann er vor Andreas Heilinger (2:32:32.87 Std.) und Felix Richter (2:32:33.75) seine erste Goldmedaille in der Herren-Leistungsklasse. Benedikt Henning (Störtebeker Bremen) musste auf einer Top-Ten- Platzierung liegend verletzungsbedingt das Rennen vorzeitig beenden.
Damit krönte der 21-Jährige Marcel Paufler die insgesamt hervorragende Bilanz der Bremer Störtebeker-Kanuten. Bronze gewannen Marie Gerland im Einer der weiblichen Jugend sowie Johannes Dohle und Quentin Emde im Junioren-Zweier, Dohle wurde zudem im Junioren- Einer Siebter.
Im Kajak-Einer der Herren Altersklasse C (50 bis 59 Jahre) gewann Thomas Kittner (Verein für Kanusport Bremen) in der Zeit von 1:44:43.24 Stunden mit deutlichem Vorsprung vor Tomás Zástera (Tschechien) und Thomas Klemm (Raunheim). Mit seinem Zweierpartner Klaus Gieres siegte er ebenfalls mit beeindruckendem Vorsprung vor der Mannschaft aus Aschaffenburg und der RG Hessen.
Für das Glanzlicht sorgten aber die beiden Paufler-Brüder – und das ziemlich unerwartet, denn die viel zu kurze gemeinsame Trainingszeit ließ einen derartigen Erfolg nicht einmal erahnen. Für Sven Paufler hatten die Vorbereitungen auf die Abiturprüfungen Priorität, sodass er bei der DM auf einen Einzelstart verzichtete. Erstmals wollten die beiden Brüder aber im Zweier-Kajak starten. „Dreieinhalb Wochen vor der DM haben wir erst angefangen, gemeinsam zu arbeiten und sind neben unserem Einzeltraining zweimal in der Woche im Zweier gefahren. Hinzu kam, dass Sven gerade mitten im Abiturstress steht und nur eingeschränkt trainieren konnte“, sagt Marcel Paufler.
Vermeintliche körperliche Defizite schienen sich folglich mit den erwarteten Problemen in der Feinabstimmung zu paaren. Zwei eminent wichtige Faktoren, die letztlich dafür sorgen, dass ein Zweier-Team ordentlich Tempo machen kann. „Das Geheimnis ist neben den körperlichen Voraussetzungen natürlich die Synchronität der Bewegungen. Paddelschlag und Schubkraft müssen so genau wie möglich aufeinander abgestimmt sein“, erklärt Marcel.
Als es dann ernst wurde auf der Fulda bei Kassel, schienen derlei Überlegungen geradezu absurd gewesen zu sein. Sven Paufler zeigte sich trotz Trainingsrückstandes in einer unerwartet bestechenden Form. Und obwohl Marcel das intensive Rennen im Kajak-Einer vom Vortag noch in den Knochen steckte, führten die beiden bereits nach den ersten zurückhaltenden Kilometern das Feld unangefochten an.
Runde für Runde konnten sich die Brüder immer weiter vom Feld absetzen und überquerten mit einem komfortablen Vorsprung von zwei Minuten vor den zweitplatzierten Daniel Wölke (25) und Florian Wölke (25) vom KC Friedrichsfeld glücklich die Ziellinie. Für die beiden Bremer schien diese Zusammenarbeit ein vielversprechendes Zukunftsmodell zu sein. „Das kann ich mir sehr gut vorstellen“, sagt Sven Paufler, der auch schon mit seinem langjährigen Partner Martin Schubert zahlreiche nationale Medaillen einfuhr. „Wenn man unsere kurze gemeinsame Vorbereitungszeit bedenkt, ist da noch einige Luft nach oben. Bis zur EM können wir jetzt, wo ich wieder mehr trainieren kann, noch ordentlich was rausholen“, fügt er hinzu.
Das unterstreicht auch Marcel Paufler und erklärt, warum die beiden noch nicht viel früher zusammengefunden haben: „Wir sind mittlerweile bis auf einen Zentimeter genau gleichgroß und bringen beide ziemlich genau 76 Kilo auf die Waage. Also eigentlich beste Voraussetzungen, was die Synchronität der Arm- und Zuglängen sowie der Schlagfrequenz angeht. Das hätte vor zwei, drei Jahren noch nicht geklappt.“