Die Zeit als härtesten Gegner

Es hat genau 1.309 Tage gedauerte, aber nun war es endlich so weit: Wir konnten erstmals seit dem WM-Rennen in China 2019 wieder im Zweier-Kajak einen Wettkampf bestreiten.

Anschließend war Erleichterung darüber da, dass dies überhaupt geklappt hat, denn lange Zeit sah es in diesem Winter nicht danach aus. Es war Freude darüber, dass der Zweier nach nur wenigen Wochen des gemeinsamen Trainings immer noch gut läuft. Und es gab große Zufriedenheit mit dem Ergebnis. Für den Weg zurück in die Weltspitze bleibt aber natürlich noch einiges zu tun.

Bei den Deutschen Meisterschaften im Kanu-Marathon, dieses Jahr in Rheine auf der Ems, ging es am vergangenen Wochenende mit dem Short-Race im Kajak-Einer los. Am Start lag aus Bremen allerdings nur Marcel, denn Sven musste arbeiten und konnte somit erst am darauffolgenden Samstag anreisen. In den ersten Rennen des Jahres war bereits zu sehen, dass Marcel zwar grundsätzlich wieder fit ist, aufgrund seiner monatelangen Schulterverletzung und des damit verbundenen Trainingsausfalls im Winter aber noch Stehvermögen und vor allem Kraft und Sprintfähigkeit fehlen. Umso überraschender war das Rennen, das es am Freitag zu sehen gab. Es gelang Marcel, sich in der Nachstartphase am Ende der Spitzengruppe zu positionieren. In der zweiten von drei Runden auf den insgesamt 3,4 Kilometern (mit zwei Portagen) konnte er sich mit dem Briten Matthew Collinge etwas absetzen und diesen in der zweiten Portage hinter sich lassen. Den Vorsprung von knapp zwei Sekunden brachte er mit einer Fahrzeit von 13:20.650 Minuten bis über die Ziellinie und konnte damit den Meistertitel aus der vergangenen Saison erfolgreich verteidigen. Den dritten Platz (und deutschen Vizetitel) sicherte sich Andreas Heilinger (ECST Raunheim 2000) in 13:43.630 Minuten vor Jannis Werner (ESV Lok Raw Cottbus) in 13:48.690 Minuten.

Am darauffolgenden Tag wurde bei windigen Bedingungen das Marathonrennen im Kajak-Einer über die Langdistanz gefahren, bei dem wir beide am Start waren. Die Strecke war, wie auch während der Corona-Jahre, vom Veranstalter auf 24,1 Kilometer mit vier Portagen verkürzt worden, alles aber natürlich im Rahmen der Wettkampfbestimmungen zulässig. Direkt nach den ersten hundert Metern teilte sich das Feld in mehrere Gruppen auf: Marcel konnte sich an die Spitzengruppe hängen, Sven etablierte sich in der direkten Verfolgergruppe. Vorne fuhr Marcel ein solides Rennen, die Spitzengruppe reduzierte sich im Verlauf des Rennens auf drei Boote und in der letzten Portage konnte er sich dank guter Renntaktik, wie auch am Vortag, einen kleinen Vorsprung erarbeiten, den er bis ins Ziel brachte und damit in 1:44:45.820 Stunden erneut Deutscher Meister wurde. Sven fuhr ebenfalls ein strategisch gutes Rennen, auch das zuletzt angeschlagene Knie hielt einigermaßen, wenngleich es noch immer etwas Probleme bereitet. Er betrieb aber auch viel Führungsarbeit, um möglichst nah an den vordersten Plätzen zu bleiben. Im Ziel stand der neunte Platz (1:50:46.110 Stunden), der aber den vierten Rang im Rahmen der deutschen Meisterschaften bedeutete, ein sehr starkes Ergebnis. Stark vor allem vor dem Hintergrund der sportlichen Zwangspause in den letzten Jahren. Selbst war er mit dem Ergebnis auch zufrieden, seine Leistung stufte er aber mit gemischten Gefühlen ein, zu groß war die Lücke noch für den eigenen Anspruch. Auf den Rängen zwei und drei landeten wir schon am Vortag Collinge für Großbritannien (1:44:51.570 Stunden) und Heilinger für Raunheim (1:45:09.200 Stunden).

Für den letzten Wettkampftag stand das schnellste Rennen, der Zweier-Kajak der Herren, auf dem Programm. Und es war wirklich ein gutes Gefühl, endlich wieder in unserem Zweier, der ja bereits in den letzten Trainingswochen schon wieder ganz gut lief, unterwegs zu sein. Zahlenmäßig war die Konkurrenz zwar überschaubar, dafür aber hochklassig. In den ersten Runden blieben alle Boote beieinander, erst in der zweiten Rennhälfte fiel ein Boot der britischen Auswahlmannschaft zurück und erst in der letzten Portage deutete sich eine Entscheidung um die Podiumsplätze an: Der britische Zweier um Tim Gannicott-Porter und Matthew Collinge lief knapp vor uns durch die Portage, Dominic Drieschner und Andreas Heilinger (ECST Raunheim 2000) mussten hier eine kleine Lücke zulassen. Uns gelang es zwar, auf den letzten 800 Metern nach der Portage wieder an die Briten (1:41.47.950 Stunden) heranzufahren, im Endspurt wurde es aber knapp der zweite Platz (1:41:50.140 Stunden) auf der 24,1 Kilometer-Distanz. Ein spannendes Rennen mit hoher Leistungsdichte. Als zweites deutsches Boot kam das Duo aus Raunheim mit 22 Sekunden Rückstand auf den dritten Platz.

Damit liegt ein anstengendes, aber sehr erfolgreiches Wochenende hinter uns. Wir haben uns bewusst für den Doppel- bzw. Dreifachstart entschieden und wissen nun, dass wir solche Rennwochenenden wieder durchhalten können. Dass wir in allen drei Wettbewerben in der deutschen Konkurrenz ganz vorne landen würden, war so nicht zu erwarten. Letztlich war es ein Spiel gegen die Zeit, rechtzeitig nach unseren jeweiligen Rückschlägen wieder so fit zu sein, dass wir konkurrenzfähig mitfahren können. Und wir waren nicht nur konkurrenzfähig, sondern es lief für uns nahezu optimal und das freut uns sehr. Es ist aber auch klar, dass die internationale Konkurrenz nochmal eine andere Hausnummer darstellt und wir beide noch jede Menge Arbeit vor uns haben. Dennoch können wir uns erstmal über die Qualifikation für die Nationalmannschaft in diesem Jahr freuen. Zu dem in wenigen Wochen stattfindenden Weltcup in Bulgarien werden wir aufgrund des Aufwands, den eine Teilnahme bedeuten würde, nicht anreisen. Auf die beiden großen Events des Jahres, die EM und die WM, freuen wir uns aber schon und sind gespannt, wie weit uns diese "Übergangssaison" 2023 bringen wird. Wir sind jedenfalls wieder dabei!