Man kann schon von einem Schock sprechen, den wir da in den vergangenen Wochen, im Nachgang der Deutschen Meisterschaften (DM) im Wildwasser erleben mussten. Nachdem Marcel bei der DM auf der Classic-Strecke zum Titel gefahren war und sich damit per Direktqualifikation für die diesjährigen Weltmeisterschaften im spanischen León qualifiziert hatte, waren wir davon ausgegangen, dass die Nominierung wenige Tage später erfolgen würde.
Dem war nicht so. Eher durch Zufall erfuhr Marcel von seiner Nicht-Berücksichtigung für die WM. Es gab im Anschluss an das erfolgreiche DM-Rennen und damit die WM-Direktqualifikation keine Anfrage, ob er seinen WM-Startplatz wahrnehmen möchte. Genauso wenig gab es von Verbandsseite eine abschließende Erläuterung der Gründe vor der Veröffentlichung der Nominierungen (einsehbar auf der Homepage des Ressorts Kanu-Wildwasserrennsport). Noch am Abend der Rückreise von der DM haben wir versucht, die Situation zu klären und die Gründe nachzuvollziehen. Im Nachgang wurde Marcel, erneut nur auf eigene Anfrage hin, auch von Verbandsseite versucht zu erklären, wie die Nominierung zustande gekommen ist. Was uns mitgeteilt wurde, haben wir verstanden. Nachvollziehen können wir es aber nicht.
Qualifikationsrichtlinien lassen einem Trainerrat bzw. dem Deutschen Kanu-Verband (DKV) in der Regel einen gewissen Ermessensspielraum und der ist auch wichtig. Inhaltlicher Kern in dieser Situation war aber, dass Marcel, als Zeitschnellster der DM, direkt für die WM hätte nominiert werden müssen. So steht es in den aktuellen Qualifikationsrichtlinien, dem einzigen Dokument, das für die Nominierungsentscheidungen ausschlaggebend sein sollte und für alle Beteiligten einsehbar ist.
Natürlich wirft dieser Vorfall jetzt nicht unsere gesamte Saison durcheinander. Der Fokus lag und liegt nach wie vor auf unserem Zweier im Kanu-Marathon. Am Ende ist dies auch der Grund dafür, dass wir auf rechtliche Schritte verzichten. Aber selbstverständlich gab es immer die Option, sich über die DM direkt für die Wildwasser-WM zu qualifizieren, welche in diesem Jahr auf der Strecke stattfindet, auf der Marcel 2021 bereits Europameister mit der Mannschaft wurde. Und die Tatsache, dass wir uns auf die Einhaltung der Qualifikationsrichtlinien im Wildwasser nicht verlassen können, lässt einen schon ziemlich verständnislos zurück.
Was bleibt ist einfach Enttäuschung. In erster Linie über den Umgang mit Sportlern, aber letztlich natürlich auch über eine unbestreitbare Benachteiligung. Am Ende des Tages sprechen wir schließlich immer noch über das Verwehren eines Startplatzes bei einer Weltmeisterschaft, dem wichtigsten Event im Kanusport. Die uns genannten Gründe hatten entweder nichts mit Marcels sportlicher Leistung zu tun, waren nicht in den Qualifikationskriterien genannt oder derart marginal, dass man sich schon fragen muss, warum sie für den Start bei einer WM überhaupt angeführt wurden. Soweit der Überblick über die Situation aus unserer Perspektive als Sportler.
Was wir uns für den Wildwasserrennsport wünschen würden, sind Dinge, die wir schon längst für selbstverständlich glaubten: Transparenz, direkte Kommunikation mit den Sportlern und das Berücksichtigen selbst aufgestellter Qualifikationskriterien. Vor allem aber hoffen wir, dass zukünftig keine weiteren Sportlerinnen oder Sportler einen solchen Umgang erdulden müssen.
Im Sinne der nun nominierten Athleten hoffen wir, dass sie erfolgreich aus Spanien zurückkehren. Wir selbst haben in den vergangenen Wochen zunächst nicht über die Geschehnisse berichtet, um unseren Fokus bestmöglich auf dem Marathon-Weltcup und unserem Training zu halten. Und das Wichtigste ist: Das ist ja in weiten Teilen auch bestens gelungen, sodass wir vermutlich schon in den kommenden Tagen mit der Planung der weiteren Saisonhöhepunkte, in erster Linie nun der Marathon-EM, beginnen können …