Mehr als die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland engagiert sich mittlerweile als Sponsor, häufig um ihre Marke bekannter zu machen. Der Erfolg ist aber nicht immer ganz klar.
Von Tobias Meyer – 26.04.2018 – DIE WIRTSCHAFT (Bremen & Bremerhaven, Ausgabe 2 / 2018)
Sponsoring boomt. Mehr als die Hälfte aller Unternehmenn in Deutschland ist in diesem Bereich aktiv, ein Großteil im Sportsponsoring. Seit Firmen mit Content-Marketing verstärkt auf Inhalte setzen und mit den sozialen Medien auch über Kanäle verfügen, über die sie ihr Engagement direkt kommunizieren können, ist Sponsoring eine noch viel größere Chance, sein Profil zu schärfen, den Bekannheitsgrad zu steigern und neue Zielgruppen zu erreichen. Drei Beispiele aus Bremen, was Sponsoring für ein Unternehmen bringen kann.
Bekanntheit steigern: Der Immobilienmakler und sein Stadion
An Florian Wellmann kommt man nicht so einfach vorbei. Damals schon, als er noch Torhüter war, in der Jugend bei OT Bremen und später bei Achim und Weyhe. Und auch heute noch: Wer einmal quer durch Bremen fährt, sieht das Konterfei des 32-jährigen Immobilienmaklers vielerorts von Litfaßsäulen und Plakatwänden lächeln. „Möglichst viel, möglichst groß“, sagt er, dass sei seine Marketingstrategie. Und das gilt auch für sein Engagement im Sponsoring: Seit vergangenem Jahr trägt das Stadion des FC Oberneuland seinen Namen.
Den Bekanntheitsgrad steigern – das ist für Unternehmen mehreren Studien zufolge die größte Motivation, im Sportsponsoring aktiv zu werden. Der im Februar von dem Beratungsunternehmen Nielsen Sports und der Sponsorenvereinigung S20 veröffentlichte Sponsor-Trend 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent eine hohe Bekanntheit als Ziel ihres Engagements haben. Für die Umfrage wurden gezielt 264 Entscheider von Sponsoren, Agenturen, Vermarktern und Verbänden in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgesucht. Tatsächlich gaben nur 23 Prozent an, dass sie durch das Sponsoring nachweislich eine Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrades festgestellt haben. Das ist ein grundsätzliches Problem des Sponsoring: Die Effekte sind nur schwer messbar.
Eine Herausforderung für die Marketing-Abteilungen, bei denen Sponsoring seit vielen Jahren im Rahmen der Corporate Social Responsibility längst fester Bestandteil in der externen Kommunikation ist – schließlich müssen sie Budgets nicht nur verwalten, sondern auch Ergebnisse vorweisen. Vor allem aber ein Risiko – auch aus juristischer Sicht: Welcher Zweck mit welchen Mitteln in welchem Umfang gefördert wird, liegt im unternehmerischen Ermessen. Dieses muss aber im Verhältnis zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens stehen. Verschlechtert sich die finanzielle Situation durch das Engagement erheblich, gilt das als Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht – und es droht Strafbarkeit wegen Untreue.
Dennoch: Sponsoring boomt. Mehr als die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland fördert Ziele außerhalb des Unternehmens. Personen, Gruppen, Organisationen, Vereine. Unterschieden werden dabei Formen wie Kunst und Kultur, Sozial- und Öko- sowie Wissenschaftssponsoring. Den größten Teil macht aber das Sportsponsoring aus: Laut Sponsor-Trend 2018 sind allein im Fußball 63 Prozent aller befragten Sponsoren aktiv. Dahinter liegt etwas abgeschlagen Basketball mit 28 Prozentpunkten. Immer stärker wird laut der Studie der E-Sports- und Gaming-Bereich. Der deutsche Softwarekonzern SAP, der unter anderem auch Trikotsponsor der TSG Hoffenheim ist, sorgte erst vor kurzem für Aufsehen, als bekannt wurde, dass das Unternehmen die erfolgreiche E-Sports-Gruppe Team Liquid fördert. Die 70 Spieler aus aller Welt zocken professionell Computerspiele wie Counter Strike und League of Legends und haben kürzlich 11 Millionen Euro bei einem Turnier gewonnen. SAP erhoffe sich von der Partnerschaft, heißt es in einer Mitteilung, ein „technikaffines und hochqualifiziertes Publikum“ zu erreichen.
„Vielleicht ist es unternehmerisch falsch, weil wir die Ergebnisse nicht kontrollieren können. Aber ich bin mit vollem Herzen dabei.“
E-Sports war zwar noch nicht dabei, aber Volleyballvereine, Tanzgruppen und Handballspieler haben schon bei Florian Wellmann angefragt. In der Regel lehnt der Immobilienmakler sie jedoch ab. „Ich will zu 100 Prozent hinter dem Engagement stehen“, betont er. Und das gehe nur beim Fußball. Florian Wellmann ist, sagt er, „völlilg fußballbekloppt“ – er kann gar nicht genug davon kriegen. Im Weserstadion hat er seine eigene Unternehmensloge und schaltet Bandenwerbung, den Bremer Fußballverband unterstützt er finanziell. Seine ganze Begeisterung aber gilt dem FC Oberneuland: Regelmäßig ist er bei Spielen vor Ort in dem Stadion, das er als „Bremens zweitschönstes“ bezeichnet, und bei dem er richtig ins Schwärmen kommt. „Das ist was Besonderes, für Fußballer wie Zuschauer: Es duftet nach Rasen und Bratwurst, und das Flutlicht sorgt für eine tolle Atmosphäre.“
Es ist aber, das will er gar nicht verschweigen, auch Kontaktpunkt zu potentiellen Kunden. Zu den Eltern der Kinder, die dort spielen und die jetzt nicht mehr sagen: Ich bin am Sonnabend im Stadion des FC Oberneuland, sondern im Florian-Wellmann-Stadion. „Ich habe das Gefühl, dass wir seit dem Erwerb der Namensrechte noch bekannter geworden sind“, sagt Wellmann. Genau darum geht es ihm – neben der Förderung der guten Sache an sich – im Sponsoring: Bekanntheit steigern. „Ich will, dass wir zu den ersten drei Namen gehören, die den Bremern einfallen, wenn es um Immobilien geht.“
Ein ehrgeiziges Ziel für jemanden, der erst seit 2014 mit der eigenen Firma im Geschäft ist und der sich gegen weit mehr als 250 Makler in der Region durchsetzen muss. Aber eines, dem er scheinbar immer näher kommt: Erst im April hat er zwei weitere Standorte eröffnet. Neben Bremen und Hamburg ist er nun auch in Oldenburg und auf Sylt präsent. Zu seinen Kunden gehören auch einige ehemalige und aktuelle Werder-Profis wie Tim Wiese, Per Mertesacker, Daniel Jensen.
Die Werbung also, sie wirkt – davon ist Wellmann überzeugt. Aber es ist auch eher ein Bauchgefühl. „Vielleicht ist es unternehmerisch falsch“, gibt Wellmann zu bedenken, „weil wir die Ergebnisse nicht kontrollieren können. Aber ich bin mit vollem Herzen dabei.“ Das sei auch sein Tipp für Unternehmer, die sich engagieren wollen: „Nicht nur einfach Geld auf den Tisch schmeißen, sondern Gesicht zeigen, dabei sein!“ Man müsse sich auch als Mensch investieren, wenn man die Menschen erreichen wolle.
Ein Lebensgefühl schaffen: Der Energiekonzern und die Stadt
Wann sprechen die Menschen über einen Energiekonzern? Meist, wenn die Preise erhöht werden. Wenn es zur Gas-Umstellung kommt. Oder, wenn irgendwo der Strom ausfällt. Nur wie wenigsten verbinden wirklich etwas mit ihrem Stromanbieter, und wenn, hat das oft etwas mit Ärger zu tun. Die SWB will das ändern – und setzt deshalb seit Jahren neben dem Sportsponsoring beim SWB-Marathon oder den Fischtown-Pinguins in Bremerhaven vor allem auch auf Kultur- und Sozialförderung.
Kultursponsoring macht in Deutschland etwa die Hälfte aller Sponsorings aus. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass immer mehr Unternehmen das Bedürfnis haben, sich über ein soziales Engagement ins Gespräch zu bringen. Besonders regionale Unternehmen profitieren von den Effekten – selbst bei kleinen Engagements bei lokalen Veranstaltungen oder Initiativen. Der Arbeitskreis Kultursponsoring etwa hat nach 13 Kunst- und Kulturveranstaltungen Befragungen der Zuschauer durchgeführt und festgestellt, dass 63 Prozent die Sponsoren wahrgenommen haben und 43 Prozent auch den Hauptsponsor nennen konnten. Zum Vergleich: TV-Spots erreichen meist sogenannte Recallwerte um die 45 Prozent. Vor allem Plakate, Flyer und Aufsteller auf den Veranstaltungen sorgen dafür, dass die Sponsoren wahrgenommen werden. Mehr als 80 Prozent aller Sponsoren kombinieren ihr Marketing zusätzlich mit flankierenden Kommunikationsmaßnahmen; Veröffentlichungen in regionalen Tageszeitungen haben beim Kultursponsoring noch einen besonders hohen Stellenwert.
Auf diesen Effekt setzt auch die SWB. Deswegen sei man damals, als die Fortführung der Breminale auf der Kippe stand, eingesprungen. Wer über das Musikfestival an der Weser schlendert, kommt kaum an dem roten Logo mit den drei weißen Buchstaben vorbei. Doch was will der Energiekonzern damit bewirken? „Wir fühlen uns aus der Historie heraus verantwortlich für Bremen“, sagt Unternehmenssprecherin Angela Hüning. Deswegen setze man sich auch etwa mit der Förderung kleinerer Projekte über die SWB-Bildungsinitiative für Chancengleichheit und Bildung ein. Und investiere vor allem in Veranstaltungen wie die Breminale. „Wir wollen insbesondere die Dinge unterstützen, die Spaß machen, die eine Nähe zur Stadt zeigen.“ Und die für die Bremer wichtig sind, wie der Marathonlauf im Herbst.
Das Ziel aller Vorhaben: „Lebensqualität schaffen“, sagt Hünig. Und dafür sorgen, dass mit der SWB positive Erlebnisse verknüpft werden – und so auch dann zum Stadtgespräch werden, wenn es nicht um Ausfälle und Preiserhöhungen geht.
Imagetransfer: Der Steuerberater und die Kanu-Brüder
Links! Rechts! Links! Rechts! Im Sekundentakt durchbrechen die Paddel die Oberfläche des Msunduzi Rivers, wirbeln das Wasser auf, treiben das Kanu voran. Gischt spritzt in die sowieso schon schweißnassen Gesichter von Marcel und Sven Paufler, die angestrengt nach vorne blicken, vorne, nur nach vorne, denn da ist das Ziel, irgendwo am Ende der 29,8 Kilometer langen Strecke im südafrikanischen Pietermaritzburg. Und ins Ziel wollen sie, am besten vor allen anderen, und am besten bald, denn jeder Muskel schmerzt, die Knochen tun weh vom Paddeln im Wasser, das Boot hochhieven, rennen, über 100 Meter, so schnell wie sie können, und sieben Mal wieder zurück in den Fluss hechten, nach den Paddeln greifen, Links! Rechts!
Es ist September 2017 und die Paufler-Brüder befinden sich irgendwo in Südafrika, mitten in der Chance ihres Lebens: die Weltmeisterschaft im Kanu-Marathon. Fünf Mal, manchmal sieben Mal die Woche haben sie für diesen Moment trainiert, ihre Runden auf dem Unisee gezogen. Jetzt dominieren sie das Feld, geben das Tempo vor, dicht gefolgt von den besten Kanuten aus Südafrika, Spanien, Frankreich und Norwegen. Doch plötzlich, nach der fünften Portage, lassen die Kräfte nach. Strategiewechsel: Kräfte einteilen, bis zum Ziel durchhalten. Und: Bloß nicht aufgeben. Schließlich haben sie für ihre Teilnahme an der WM lange gekämpft – und um ein Haar hätte es nicht geklappt, wäre da nicht Peter Rasch gewesen.
Rasch ist kein Kanusport-Fan, er hat auch nur ein einziges Mal in einem Zweier gesessen. Als der 54-Jährige jedoch bei der Weihnachtsfeier im Dezember 2016 Sven Paufler gegenübersteht, und dieser ihm von seinen sportlichen Zielen erzählt, lässt sich der Steuerberater direkt mitreißen. „Nennen Sie es Schicksal oder wie auch immer, aber ich dachte nur: Mensch, hier passt ja alles wie Topf auf Deckel!“ Denn die Paufler-Brüder, davon konnte man kurz vorher bereits in der Zeitung lesen, suchten Unterstützer. Und Rasch nach einer Gelegenheit, als Sponsor aktiv zu werden. Vielmehr noch: Er suchte nach einer guten Geschichte, die zu ihm und seiner Firma Consensus passt.
„Steuerberatung ist ein trockenes Thema. Das Sponsoring haucht dem Ganzen mehr Leben ein, lenkt den Blick auf uns, macht uns menschlicher.“
Im September 2017 sitzt er in seiner Kanzlei an der Contrescarpe mit den Fenstern Richtigung Wallanlagen. Es ist aber ein anderes Fenster, das seine ganze Aufmerksamkeit hat: sein Browser auf dem PC-Bildschirm, in dem der Livestream aus Südafrika läuft. Zwischen all den Kanuten auch die Paufler-Brüder in ihrem strahlend weißen Zweier-Kanu, in dessen Mitte die Bremer Skyline als Scherenschnitt mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten abgedruckt ist. Und vorne, an der Spitze des Bootes, die sich unaufhaltsam durch die Wassermassen schiebt, steht: Consensus. Der blaue Schriftzug ist vom Ufer des Msunduzi Rivers kaum auszumachen – aber immer wieder, wenn die Kamera sich den Paufler-Brüdern für die Live-Übertragung über das Internet in alle Länder dieser Welt nähert, fällt der Blick unweigerlich auf den Sponsorennamen. „Das hat mich schon etwas stolz gemacht“, gibt Rasch zu. Aber er weiß auch, dass er einer der wenigen ist, der den Schriftzug in diesem Moment überhaupt wahrnimmt.
Rasch geht es nicht darum, dass möglichst viele den Namen seiner Kanzlei sehen. Er erhofft sich etwas anderes: Imagetransfer. Laut einer Erhebung der Hochschule Ostfalia, für die 135 der umsatzstärksten deutschen Unternehmen befragt wurden, ist das Imagebuilding das wichtigste Sponsoringziel: 83 Prozent von ihnen gaben das an. Die Neukundengewinnung stand hingegen nur für knapp ein Drittel aller Umfrageteilnehmer im Fokus. „Die Paufler-Brüder stehen für alle Werte, für die ich mit meiner Kanzlei auch stehe“, sagt Rasch. So laute einer seiner Slogans „Mit dem richtigen Steuermann auf Kurs“, ein weiterer „Einen Schritt voraus, für junge Menschen, die noch etwas vorhaben“. „Sven und Marcel Paufler liefern die perfekte Geschichte dazu.“ Und sie gehören, ganz nebenbei, zu den besten Kanuten der Welt.
Ein Aushängeschild, mit dem die Kanzlei gerne für sich wirbt. „Steuerberatung ist ein trockenes Thema“, betont Rasch. „Das Sponsoring haucht dem Ganzen mehr Leben ein, lenkt den Blick auf uns, macht uns menschlicher.“ Und es ist Teil einer umfassenden PR-Strategie der Consensus: Jede Neuigkeit wird auf dem eigenen Blog veröffentlicht, größere Erfolge werden in Pressemitteilungen an Redaktionen geschickt. So gibt es ständig was zu berichten und auch auf der eigenen Internetseite tut sich regelmäßig etwas, was das Suchmaschinen-Ranking verbessert. „Unsere Wahrnehmung von außen wird ganz klar gestärkt“, ist Rasch überzeugt. In der Mandantenzahl habe sich sein bislang 8000 Euro teures Engagement allerdings noch nicht direkt bemerkbar gemacht.
Auch deutschlandweit zeigt sich der Trend, Sponsoring vor allem fürs Marketing einzusetzen: Laut der Ostfalia-Studie hat sich bei den befragten Unternehmen der Anteil des Sponsorings am gesamten Kommunikationsbudget von 12,4 auf 18,3 Prozent erhöht. Und auch die Erhebung von Nielsen zum Sponsor-Trend 2018 zeigt: 97 Prozent aller Unternehmen wollen ihr Sponsorenengagement beibehalten. Knapp ein Drittel davon plant sogar, das Budget zu erhöhen.
Auch Rasch lehnt ein weiteres Sportsponsoring nicht grundsätzlich ab. Die Paufler-Brüder jedenfalls würde es freuen. „Allein die Tatsache, dass wir unterstützt werden, hat uns motiviert“, sagt Sven Paufler. „Und auch dafür gesorgt, dass wir im Wettbewerb anders wahrgenommen wurden.“ Ohne das Geld hätten sie nicht nach Südafrika fahren können, sagt sein Bruder Marcel. „Und ohne das neue Boot wären wir wahrscheinlich auch nicht so schnell ins Ziel gekommen.“ Am Ende schließen sie die WM als Siebtplatzierte ab: Die Spitze mit dem Consensus-Aufdruck ist das Erste, was die Ziellinie erreicht, Millisekunden bevor auch Sven und Marcel Paufler darüber hinweggleiten.