Starkes Rennen bei stürmischen Bedingungen

Was gibt es Schöneres für Sportler, als die eigene Leistung auf den Punkt abrufen zu können? Uns ist das gestern jedenfalls bestens gelungen.

Doch der Reihe nach. Eine Eröffnungsfeier gab es zu Beginn der EM am vergangenen Mittwoch erstmals leider nicht, dafür bot die Regattastrecke auf dem Maltasee in Posen professionelle Bedingungen. Auf dem weitläufigen Gelände gab es viel Platz für die Athleten und die Boote konnten in Hallen untergebracht werden. Angenehm war auch die zentrale Lage der Regattastrecke, wodurch man schnell in der Stadt war. Nach der Ankunft am Mittag konnte Marcel direkt das erste Training absolviert, um die Strecke kennenzulernen. Sven reiste erst am Freitagabend nach der Arbeit an.

Am Donnerstag startete Marcel im Short-Race. Im Vorlauf kam er zunächst nur langsam ins Rennen, fuhr sich in der zweiten Rennhälfte aber wieder nach vorne und erreichte mit einem siebten Platz und der aus beiden Vorläufen auch siebtschnellsten Fahrzeit souverän das Finale. Dort lief es dann umgekehrt: Sein Start war sehr gut, auf der ersten Geraden konnte er über weite Strecken sogar die Welle des späteren Vizeeuropameisters Jon Vold (Norwegen) halten. In der ersten Portage und in der zweiten Rennhälfte entschied er sich aber wenige Male für die falsche Welle bzw. die rückblickend in der Situation ungünstigere Ausstiegsseite. Aufgrund eines soliden Streckentempos kam Marcel aber noch als 15. über die Ziellinie, womit er sich zufrieden zeigte. Europameister wurde Mads Pedersen aus Dänemark.

Für Marcel folgen zwei Tage ohne eigenen Wettkampf. Für den Kajak-Einer auf der klassischen Langdistanz hatte er sich zwar ebenfalls qualifiziert, ging dort planmäßig aber nicht an den Start, um sich auf das für uns bekanntermaßen wichtigere Zweier-Rennen zu konzentrieren. In den Jahren vor unseren Verletzungspausen war er regelmäßig beide Rennen gefahren, Erfahrungen mit Doppelstarts auf der Langdistanz hatten wir also bereits genug. Nun war es an der Zeit, es auch mal mit nur einem langen Rennen zu probieren.

Am gestrigen Sonntag wurde es erstmals während der EM richtig stürmisch, bereits die Athleten in den Rennen am Vormittag hatten mit großen Wellen zu kämpfen. Wir entschieden uns deshalb, die 29 Kilometer, verteilt auf acht Runden, mit Wellenbrecher auf dem Oberdeck und Spritzdecken bis zur ersten Portage zu fahren. Rückblickend eine gute Entscheidung. Der Start verlief für uns gut, wir fanden uns nach wenigen hundert Metern am Ende der großen Führungsgruppe wieder. Da in dieser Führungsgruppe bereits früh viel gesprintet wurde, blieben wir dann aber dahinter. Glücklicherweise bildete unserer Zweier bereits vor der ersten Portage gemeinsam mit dem polnischen und dem schwedischen Boot eine starke Verfolgergruppe, die vereinzelt aus der Führungsgruppe abfallende Boote überholte und den Abstand zu den Führenden die meiste Zeit über auf nicht mehr als 200-300 Meter anwachsen ließ. Das konstante Tempo sorgte dafür, dass die Führungsgruppe nie aus den Augen geriet und wir auch innerhalb unserer Gruppe immer stärker wurden.

Im letzten Renndrittel konnten wir uns nochmals steigern, überholten weitere Boote, konnten uns vom schwedischen Zweier absetzen und die Lücke zur Führungsgruppe fast wieder schließen. Es gelang einmal sogar die schnellste Rundenzeit und auch unsere Portagen gehörten erstmals gleich mehrfach zu den Schnellsten. Ungefähr 500 Meter vor der letzten Portage bestand die Möglichkeit, die Lücke zu den ersten sieben Boote zu schließen, aus taktischen Gründen erschien es uns aber sinnvoll, mit den sprintstärkeren Polen neben uns nicht zu den größtenteils ebenfalls sprintstärkeren führenden Booten aufzuschließen. Ebenfalls die richtige Entscheidung. Wir hatten so in unserer letzten Portage freie Bahn und versuchten auf der letzten kleinen Runde (ca. ein Kilometer) alles, um noch so viele Boote wie möglich einzuholen. Unsere polnischen Rivalen setzten sich im Endspurt zwar gegen uns durch, dafür überholten wir auch noch das zweite ungarische Boot und kamen auf einem starken achten Platz ins Ziel. Weit besser als wir es erwartet hatten!

Neue Europameister wurden Sören Maretti und Philip Knudsen (Dänemark). Damit sind die diesjährigen Europameisterschaften Geschichte. Nach einem soliden Short-Race von Marcel ist uns ein richtig gutes Zweier-Rennen, im Übrigen auch wieder als schnellstes deutsches Boot, gelungen. Unsere Rennidee, basierend auf einer realistischen Einschätzung unserer aktuellen Leistungsfähigkeit, ist voll aufgegangen. Wer im Livestream mehr als die erste Runde geschaut hat, wurde mit einem spannenden Rennen belohnt. Für uns war der Wettkampf durchaus kritisch: Unsere Zweier-Leistung auf der DM war gut, aber aus verschiedenen Gründen noch nicht wieder auf Weltklasse-Niveau. Nun mit einem Rückstand von weniger als einer Minute zur Siegerzeit und damit gleichzeitig einer enormen Steigerung gegenüber der EM im vergangenen Jahr (bei der wir erst seit wenigen Monaten wieder im Boot gesessen hatten), haben wir bewiesen, dass wir nach schwierigen Jahren endlich zurück sind in der europäischen Spitze. Und darüber sind wir sehr glücklich.

Heute sind wir bereits im Vereinstrainingslager im schwedischen Karlskrona. Intensiv trainiert wird bis Mittwoch zwar nicht und die WM-Nominierung erwarten wir erst für die kommenden Tage, aber mit der gestrigen Leistung werden wir unseren Blick wohl schon in Richtung Weltmeisterschaften richten dürfen. Ein großer Dank geht vor allem an diejenigen, die vor dem Rennen an uns geglaubt und von denen wir Zuspruch und Unterstützung erhalten haben!

Hier geht es zu den vollständigen Ergebnislisten.