„Spaß und Motivation statt eiserner Disziplin“ – Presseartikel

Sven und Marcel Paufler setzen nach Absage der WM im Kanu-Marathon neue Prioritäten

Von Rainer Jüttner – 09./10. April 2020 – WESER-KURIER (Sport)

Bremen. Als Leistungssportler ohne ein Ziel erfolgreich zu trainieren, ist kaum möglich. Die Aussicht, sich am Saisonhöhepunkt mit einer guten Leistung und Platzierung für die ganze Plackerei zu belohnen, ist unabdingbarer Antrieb und Motivation für die vielen Stunden Trainingsarbeit des Jahres. Und so hatten auch Sven und Marcel Paufler bis zuletzt gehofft, dass zumindest eines der beiden Saisonhighlights im Kanu-Marathon in diesem Jahr noch stattfinden werden.

Seit gestern Vormittag ist den Brüdern vom Störtebeker Bremer Kanusport aber auch diese Hoffnung genommen. Der Weltverband ICF (International Canoe Federation) teilte mit, dass die internationalen Titelkämpfe, die vom 28.-30. August in Baerum (Norwegen) stattfinden sollten, abgesagt wurden. Diese Nachricht traf Marcel Paufler gestern wie ein Keulenschlag: „Ich bin schockiert. Die WM war für uns beide das einzige große Ziel, das wir in diesem Jahr noch hatten, da ja auch schon die Europameisterschaft im Juli in Ungarn abgesagt wurde.“ Die schlechte Nachricht war so frisch, dass sich die Paufler-Brüder erst einmal in einer Krisensitzung per Telefon darüber austauschen mussten, wie es für sie in der neuen Situation weitergehen soll. Bislang hatten beide weitertrainiert. Da das Bootshaus des Vereins nicht betreten werden durfte, lagen die beiden Einer-Kajaks im elterlichen Garten und wurden Tag für Tag an die Wümme oder an den Uni-See gekarrt. „Wir haben eben so gut wie möglich trainiert, allerdings nur jeweils im Einer“, sagte Sven Paufler, der als Student des Steuerrechts zurzeit weitgehend zu Hause ist. Optimal war das natürlich nicht, zumal Einheiten im Zweier, dem Paradeboot der Brüder, allein durch die aufwendige Logistik nicht möglich waren.

Die Weltmeisterschaft im Kanu-Marathon im August in Norwegen war für Sven und Marcel Paufler der Jahreshöhepunkt. Nach der Absage setzen sich die beiden Brüder in ihrem Trainingsprogramm neue Ziele. FOTO: MARTINA PAUFLER

Seit gestern steht folglich wieder erst einmal mehr der Spaßfaktor statt der zu diesem Zeitpunkt eigentlich strikten Trainingsdisziplin im Vordergrund. „Wir machen natürlich weiter, aber wir sind uns einig, dass es keinen Sinn mehr macht, an unseren eigentlichen Trainingsplänen festzuhalten. Das Ganze ist natürlich sehr ärgerlich, aber zurzeit ist eine Absage der WM vor allem auch fair den Athleten gegenüber, die kaum oder gar nicht trainieren können“, sagte Marcel Paufler.

Der 25-jährige, der weiterhin im Aus- und Fortbildungszentrum für den öffentlichen Dienst in Bremen arbeitet, setzt sich jetzt mit seinem 22-jährigen Bruder neue Prioritäten. „Wir schauen jetzt auf das nächste Jahr. Wir wollen jetzt schon einmal die Grundlagen legen und setzen uns auf diesem Weg kleinere Zwischenziele, damit wir Spaß und Motivation hochhalten können. Vielleicht finden ja doch noch einige kleinere Rennen statt“, sagt Marcel Paufler. Überbrücken müssen die beiden Bremer auf jeden Fall eine ziemlich lange Strecke. Das nächste ganz große Ziel wären nämlich 2021 die World Games gewesen, die Welt-Spiele der nicht-olympischen Sportarten. Die sind aber bereits auf 2022 verschoben worden.

Trotz aller bereits vollzogenen Absagen besteht immer noch geringe Hoffnung, dass diese Saison im Kanu-Marathon nicht völlig ohne Höhepunkt beendet wird und die Pauflers damit nicht mindestens ein Jahr warten müssen, bis es sportlich wieder interessant wird. Zurzeit wird in der Kanu-Szene spekuliert, ob die deutsche Meisterschaft, die am ersten April-Wochenende in Rheine abgesagt wurde, doch noch nachgeholt wird. Zur Diskussion steht ein Termin Anfang Oktober. Der Ausrichter lotet gerade die Möglichkeiten mit den örtlichen Behörden in Rheine aus. „Dann könnten sowohl die deutsche Meisterschaft als auch die Weltranglistenrennen im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung stattfinden. Spruchreif ist das alles aber noch nicht“, sagte Marcel Paufler.

Fest stand für ihn gestern nur noch eines: „Heute Abend gehe ich auf jeden Fall erst einmal aufs Wasser und dann paddele ich mir erst einmal den Frust von der Seele.“