Training an sieben Tagen in der Woche
Marathon-Kanute Marcel Paufler unmittelbar vor der WM in Portugal / Seit Kindesalter dabei
BREMER SPORT (Herbst 2022, Seite 18+19) MAGAZIN DES LANDESSPORTBUNDES FÜR BREMEN UND BREMERHAVEN
Marcel Paufler holte vor einem Jahr den Europameistertitel mit der Mannschaft im Wildwasser. Dabei ist das Spezialgebiet des 27-Jährigen Bremers eigentlich der Kanumarathon. Wir trafen den Kanuten unmittelbar vor der Abreise zur Weltmeisterschaft in Portugal in seinem Verein Störtebeker Bremer Paddelsport. Im Gespräch erzählte der Verwaltungsfachangestellte davon, wie er praktisch mit der Muttermilch zum Kanuten wurde und dass er gerne noch einmal gemeinsam mit seinem Bruder um Titel fahren würde.
Wie sind Sie zum Kanusport gekommen?
Ich bin da praktisch reingeboren worden. Meine Eltern und meine Großeltern sind Kanuten, ich bin als Kind also einfach mitgekommen. Anfangs konnte ich noch gar kein Paddel halten, saß aber schon im Boot. Im Alter von sieben Jahren bin ich erstmals einen Wettkampf gefahren.
Hatten Sie gerade als Kind kein Interesse, mal etwas anderes auszuprobieren?
Doch, bis ich zwölf war, habe ich einiges ausprobiert. Vor allem Schwimmen, das ich auch noch einige Jahre länger betrieben habe, war mein Favorit. Aber ich bin immer wieder beim Kanufahren gelandet.
Wann haben Sie erstmals gemerkt, dass mehr geht als „nur“ Hobbysport?
Das war 2011 als ich erstmals zum Nationalteam eingeladen worden bin. Mit 16 Jahren war ich, noch als Jugendfahrer, einer der Jüngsten in der Juniorennationalmannschaft. Seitdem haben wir es geschafft uns im Kanumarathon jedes Jahr wieder für das Nationalteam zu qualifizieren. Im Wildwasser hat es nicht jedes Jahr geklappt, aber oft.
Wie kommt man zum Kanumarathon?
Auch das ist zum Teil bei mir familiär bedingt. Mein Vater und mein Onkel waren im Kanumarathon schon erfolgreich unterwegs und waren auf drei Weltmeisterschaften vertreten. Ein zweiter Grund ist, dass ich im Ausdauerbereich immer stärker als im Sprint war. Wir wurden von Anfang an eher auf Ausdauer trainiert und so kommt man automatisch zum Kanumarathon – auch wenn diese Disziplin, da sie nicht olympisch ist, nicht jeder kennt. Aber das ist ja auch das Interessante am Kanusport.
Was meinen Sie genau?
Der Kanusport ist sehr vielfältig und bietet sehr viele Möglichkeiten. Sprint, Langstrecke, Wildwasser – eigentlich ist für jeden etwas dabei.
Wie kann man sich ein Kanumarathonrennen vorstellen?
Wie bei einem Marathonlauf oder bei einer Etappe der Tour de France. Man startet mit einem Vollsprint, zwischendurch gibt es taktische und technische Herausforderungen – man fährt Welle, was vergleichbar dem Windschattenfahren auf dem Rad ist – und am Ende muss man sehen, dass man taktisch ausgefuchst über die Distanz ins Ziel kommt. Man muss ab und zu einen Zwischensprint
fahren, um sich abzusetzen oder versuchen, wieder an eine Gruppe heranzukommen und am Ende, wenn es darauf ankommt, auch noch Sprinthärte zeigen – nach 30 Kilometern.
Sie sitzen aber nicht die ganze Zeit im Boot, sondern sind auch zu Fuß unterwegs.
Das stimmt. Alle vier bis fünf Kilometer gibt es Portagen, entweder am Strand oder Steg, das heißt wir müssen das Boot verlassen und es ein Stück weit tragen, bevor es zurück ins Wasser geht.
Wie ist Bremen als Paddelrevier?
Für uns Kanuten sind Bremen und Umgebung super, da es hier viele verschiedene kleine und größere Gewässer gibt. Hier bei uns, vom Störtebeker Bremer Paddelsport aus, kann man auf der kleinen Wümme und Wümme von Ottersberg bis in die Lesum paddeln. Es gibt neben der Wümme die Hamme, die Weser und in der näheren Umgebung viele Flüsse, die man auch fast alle noch befahren darf. Bei uns ist vieles, anders als andernorts, noch möglich. Was es hier aber nicht gibt ist Wildwasser. Wenn man ein bisschen Action sucht, muss man schon ein bisschen fahren, Richtung Harz beispielsweise.
Wieviel trainieren Sie gerade im Hinblick auf die anstehende WM?
In der Regel bin ich in der Vorbereitung auf eine Meisterschaft zweimal täglich für bis zu eineinhalb Stunden auf dem Wasser. Wenn sich das arbeitstechnisch organisieren lässt, setze ich in der Mittagspause noch eine Laufeinheit. Hinzu kommen dann noch Athletik-Einheiten an den Geräten. Normalerweise, also nicht in direkter Wettkampfvorbereitung, trainiere ich eine Einheit am Tag, aufgeteilt in Wasser-, Athletik- und Krafteinheiten.
Haben Sie bei einem Marathon-Rennen Zuschauer?
Ja, aber in Deutschland in der Regel weniger. Hier sind nur die olympischen Disziplinen interessant. In Dänemark, wo die Europameisterschaften stattfanden, hat der Kanumarathonwettbewerb einen anderen Stellenwert, da waren die Tribünen prall gefüllt und es war richtig was los. Eine tolle Erfahrung.
Sie sind Amateur, trainieren aber im Prinzip wie ein Profi. Dennoch haben Sie gegen die Vollprofis aus anderen Ländern nur wenig Chancen.
Es ist so, dass die Kanuten in einigen Ländern voll gefördert werden und praktisch von ihrem Sport leben können. Sicherlich haben sie dadurch einen gewissen Vorteil. In diesem Jahr war es so, dass sich eine Lücke zu eben diesen fünf, sechs besten Booten der Welt aufgetan hat. Wir geben aber unser Bestes, um diese Lücke so gut wie möglich zu schließen.
Hoffen Sie darauf, dass der Kanumarathon olympisch wird?
Ja, vor allem, da wir dann auch in den Genuss einer Förderung kommen würden. Es wäre natürlich schon spannend, wenn man sich einmal beispielsweise ein Jahr lang ausschließlich auf die Olympischen Spiele vorbereiten könnte, einfach um zu gucken, was möglich wäre, das würde mich schon reizen.
Was haben Sie für Ziele?
Für ganz konkrete Ziele fehlt die Planungssicherheit, aber ich würde gerne gemeinsam mit meinem Bruder, der jetzt gerade für zwei Jahre nicht einsatzfähig war, noch einmal bei einer großen Meisterschaft um den Titel mitfahren.
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