Beim Weltcup in Norwegen kämpft Marcel Paufler gegen die Konkurrenz, den Wind und hohe Wellen
Von Jörg Niemeyer - 5. Juni 2019 - WESER-KURIER
Oslo. Marcel Paufler ist erfolgreicher Kanusportler. Genauer gesagt: Er ist erfolgreich im Kanu-Marathon – in einer Sportart, für die der 24-Jährige schon einen Marathon hinter sich hat, bevor er überhaupt im Boot sitzt. Und einen Marathon vor sich hat, nachdem er wieder raus ist aus dem Boot. Gut 900 Kilometer Anreise im Auto plus eine Fährüberfahrt von Dänemark nach Norwegen, dann Wettkämpfe auf dem Wasser und schließlich die Reise zurück nach Bremen: Eingerahmt von zwei Arbeitstagen, war das das jüngste Fünf-Tage-Programm des Amateursportlers.
Die Kosten und Mühen, das lässt sich festhalten, haben sich für Marcel Paufler gelohnt. Begleitet von Vater und Mutter, war die Weltcup-Veranstaltung in Baerum für das Aushängeschild des Vereins Störtebeker Bremer Paddelsport auch ohne Sieg ein sportlicher Erfolg. Zum einen, weil er 15 Kilometer westlich der norwegischen Hauptstadt Oslo in seiner Paradedisziplin Langstrecke im Kreis der Weltelite als bester von fünf Deutschen Gesamtzehnter wurde. Zum anderen, weil er auf der Kurzstrecke eine überraschend gelungene Premiere feierte.
„Wenn man schon mal vor Ort, muss man die Chance zur Teilnahme auch nutzen“, sagt Marcel Paufler. Die Chance war der Start auf der 3600 Meter langen Kurzstrecke. Seit dieser Saison zählt die Kurzstrecke zum Wettkampfprogramm der Kanu-Marathonis. „Der Sport soll attraktiver für die Zuschauer werden“, sagt der Bremer. Klingt logisch: Etwa 13 Minuten Kurzstrecke gucken bringt dann doch mehr Spannung für den Beobachter als gut zwei Stunden Langstrecke gucken. Und Paufler, der bislang ausschließlich für die Langstrecke trainiert hat, kam auf der Kurzstrecke zur eigenen Überraschung hervorragend zurecht. Im Vergleich zur Langstrecke ist der Start auf der Kurzstrecke wesentlich wichtiger. Es geht sofort um eine gute Platzierung und damit um die bestmögliche Ausgangsposition für das Rennen über vier Runden mit insgesamt zwei Portagen. So heißen die Rennabschnitte, auf denen die Sportler das Boot an Land tragen und dann neu einsetzen müssen.
“Das ärgert mich gewaltig, weil es mich zwei bis drei Positionen gekostet hat.”
Marcel Paufler nach verpatztem Start
Paufler beendete seinen Vorlauf mit 24 Startern nach 13:13,25 Minuten als Fünfter und erreichte ungefährdet das Finale der besten 20. Hier kam der Bremer nach 12:59,50 Minuten und mit 26,38 Sekunden Rückstand auf den norwegischen Sieger Jon Amund Vold als 13. ins Ziel. Damit war Paufler sehr zufrieden – trotz oder vielleicht gerade wegen seiner Erkenntnis, dass ihm im Gegensatz zu seinen Gegnern einiges an Spritzigkeit fehlte. „Auf der Kurzstrecke muss man noch aufmerksamer fahren und die Konkurrenz genau beobachten“, sagt er. Wenn die einen Ausreißversuch starte, sei der Anschluss schnell verloren. Im Vorlauf, so Pauflers Fazit, habe er das deutlich besser gemacht als im Finale, in dem er allerdings auch auf die Besten traf.
Der verpasste Anschluss war dann auch Pauflers Problem auf der Langstrecke über 29,8 Kilometer. Acht Runden und sieben Portagen waren zu absolvieren. Schon vor der ersten Portage hatte der Bremer den Anschluss zur Führungsgruppe verpasst, weil er die Startphase verschlafen hatte. „Das ärgert mich gewaltig“, sagt er noch Tage später, „weil es mich bestimmt zwei bis drei Positionen gekostet hat.“ So wurde er, wiederum als bester Deutscher, nach 2:09:07,99 Stunden am Ende Zehnter.
Es hätte für Marcel Paufler angesichts der ungewohnten äußeren Bedingungen aber auch wesentlich schlimmer kommen können. Zahlreiche Kontrahenten wären schon froh gewesen, wenn sie überhaupt das Ziel erreicht hätten. Doch sie kenterten, weil Wind und Wellen für schwierige Verhältnisse sorgten. „Wir sind oft auf Flüssen unterwegs, da sind die Bedingungen natürlich ganz anders“, sagt Paufler. Das Revier vor Baerum hat Zugang zur Nordsee, außerdem war die Strecke der Kanuten nicht komplett für den Schiffsverkehr gesperrt.
Die Erfahrungen, die Marcel Paufler vor Norwegens Küste sammelte, könnten im kommenden Jahr von großem Wert werden. Denn 2020 findet die WM an gleicher Stelle statt wie jetzt der Weltcup. Marcel Paufler hofft, dass er dann, wie im Oktober 2019 im chinesischen Shaoxing, mit seinem Bruder Sven erneut im Zweier für Deutschland starten darf. Weil im Weltcup keine Zweier gefahren werden, hatte Sven Paufler die Reise nach Norwegen gar nicht erst mit angetreten. Dafür aber brachte der Rest der Familie reichlich Videomaterial mit nach Hause, sodass die Brüder im Fall einer WM-Qualifikation 2020 auf jeden Fall gut vorbereitet ins Rennen gehen werden.
Der Start in Baerum diente Marcel Paufler auch zur Formüberprüfung vor der vom 25. bis 28. Juli in Frankreich anstehenden EM, für die er sich im Zweier mit seinem Bruder ebenfalls qualifiziert hat. Ob Marcel Paufler dann auch im Einer starten wird, lässt er noch offen. Lust hätte er durchaus, aber er will aufgrund der Belastung im Einer am letzten WM-Tag nicht nur mit 80 Prozent Kraft ins Zweierrennen mit Sven gehen. Relativ klar zeichnet sich jedoch schon jetzt Marcel Pauflers Vorliebe für die Rennlänge ab: „Mein Fokus wird definitiv auf der Langstrecke liegen“, sagt er, „dafür habe ich jahrelang trainiert.“ Obwohl ihm die Premiere auf der Kurzstrecke in Norwegen gefallen hat, verspüre er keine Lust, für die Kurzstrecke seinen kompletten Trainingsbetrieb umzustellen.
Neue Disziplin im Kanu-Marathon
Seit Anfang Januar dieses Jahres wissen die Kanu-Marathonsportler, dass es für sie eine neue Disziplin gibt: die Kurzstrecke, genannt Shorttrack. 3600 Meter wie jetzt beim Weltcup im norwegischen Baerum sind allerdings nur aus Sicht derer eine Kurzstrecke, die gewohnt sind, im Wettkampf sonst annähernd 30 Kilometer zurückzulegen. Bei Olympischen Spielen führen die längsten Kanu-Rennen über 1000 Meter. Mit dem neuen Format, das nach nicht einmal einer Viertelstunde beendet ist, soll Kanu-Marathon für Zuschauer attraktiver werden.